Legenden um Bô Yin Râ
von Fr. AndreasAus der Zeitschrift "Die
Säule" 1929 (X. Jahrgang, Heft 1, Seiten 1-4)
Das
Bestehen der "Ermächtigten Bruderschaft der Alten Riten" ist weiten
Kreisen bekannt geworden. Man weiß auch überall da, wo man seiner
phantasiefrohen Vermutung Zügel anlegte und einem zuverlässigen Gefühl
für das innerlich Selbstverständliche vertraute, überall da auch, wo
man deutlich Gesagtes anerkennen wollte oder doch sich an
geeigneter Stelle unterrichtete, daß die "Ermächtigte Bruderschaft
der Alten Riten“ nicht eine Gründung Bô Yin Ras ist,
(und es nicht sein kann!).
Allerdings wäre ohne das aller Menschheit Geltende Wirken Bô
Yin Râs auch diese Erneuerung uralter Mysterien-Disziplin nicht
möglich gewesen, deren verheißungsvollen Arbeits-Anfang er
gesegnet hat, nachdem er den von sehr gründlich erprobter Seite
gekommenen Impuls zu dieser Erneuerung mit herzlicher Freude gesehen
hatte. Und gewiß kann Bô Yin Râ fortan nicht ohne tiefe innere
Teilnahme Kunde erhalten von Erfolgen oder Fehlschlägen dieser
Bruderschaft.
Es
mag begreiflich, und in manchen Fällen sogar ein erfreuliches
Zeichen sein, wenn man gerade deshalb Vertrauen zu dieser Erneuerung
der Ur-Maurerei hat, weil man sie für das unmittelbare
Werk Bô Yin Ras halten zu dürfen glaubt: - es ist aber eine
heute dringend gewordene Pflicht, der Legende und dem Irrtum dort
entgegenzutreten, wo sie das aller Menschheit geltende
Verkündungswerk Bô Yin Râs in einem Atem nennen, mit seiner
dargebotenen Hilfe zur Wiedererstellung einer in sich begrenzten,
uralten Institution.
Wo
nun falsche Nachricht erkennbar wird als ausgehend von dem
unordentlichem Willen derer, die nicht sammeln sondern zerstreuen, da
bleibe das Gewicht der Verantwortung auch bei den Urhebern allein.
Man darf erwarten, daß alle, die guten Willens sind,
durch die eigenen Kräfte der Unterscheidung die „Geister" erkennen
werden. Deshalb soll böswilliger Torheit auch nicht einmal durch
"Widerlegungen“ eine Daseinsanerkennung gegeben werden. ---
Nun
ist aber ein bestimmter Irrtum wiederholt auch bei Solchen
zu finden gewesen, an deren gutem Willen nicht gezweifelt
werden kann: - ein Irrtum, der vor allem denen, die ihn nicht
nachprüfen können, den Weg zu Unersetzlichem verdunkeln kann,
ja der sogar geeignet ist, durch "tödliches“ Vorurteil die Hoffnung,
den Weg finden zu können, ganz zu zerstören. Denn neues
Verzagen, neue Enttäuschung, wenn nicht gar endgültiger Verzicht auf
Trost und Leben muß immer dann die Folge sein, wenn die an sich
so richtige und notwendige Einsicht der Hilfsbedürftigkeit verführt
wird, in falscher Richtung zu suchen.
Und
so ist es Pflicht geworden, solchen Irrtum nicht sich
selbst zu überlassen, Pflicht derer, die hier wissen, daß ein
Irrtum vorliegt. –
Obwohl keine Stelle des Schrifttums Bô Yin Râs dahin
missverstanden werden kann, daß ein verborgener, oder gar der
eigentliche Sinn seiner Worte sich erst dem erschließen
könne, dem ein besonderer Schlüssel zugänglich wurde, ist doch
gerade dies behauptet worden.
Da
nur Unaufmerksamkeit den Leser jener Bücher hierüber im Zweifel lassen
kann, wäre es wahrhaftig unnötig, solcher Torheit öffentlich zu
widersprechen, wenn nicht inzwischen wiederholt diesem Irrtum ein
neuer ergänzender Inhalt gegeben worden wäre durch die Behauptung,
eben jener "Schlüssel zu wirklichen Resultaten" nach den Ratschlägen
Bô Yin Râ befinde sich im Besitze der ermächtigten Bruderschaft der
Alten Riten".
Die
Zahl derer, die ohne solchen vermeintlichen Schlüssel dem Werke
Bô Yin Ras lebendige Erneuerung ihres ganzen Lebens verdanken, ist so
groß, daß man sich schon deshalb allein verwundert fragen darf,
woher denn die Enttäuschung stamme, die allein das Verlangen nach
einem Schlüssel für weit geöffnete Tore erklären kann!
Gewiß ist das Schriftwerk Bô Yin Râs reich an solchen Worten, die
erst dem eigenen Erleben dessen, der mit ausdauerndem Willen
und freudigem Vertrauen ergreift, was ihn zuvor
ergriff, ihre leuchtende Wahrheit erzeigen können: - aber
Alles, was von dieser Art in den Schriften zu lesen ist,
gehört nicht zu jenen Unterweisungen elementarer Art, die das
(vom ersten Anfang an durch wachsende Gewißheit, ständige Bestätigung
sich selbst bezeugende) Beschreiten des „Weges“ lehren wollen.
Unermeßlich grösser noch, wäre die Zahl derer, die aus aller Pein und
Unrast zu freudiger Zuversicht und Bestätigung gelangten, wenn die in
elementarster Einfachheit dargebotenen Unterweisungen Bô Yin Râs von
Allen die diese Bücher kennen, ohne zu zaudern befolgt würden.
Ja, wer etwa das ganze unvergleichliche Verkündungswerk "auf sich
beruhen" lassen wollte, wohl aber gerade nur die einfachsten
Ratschläge, etwa den in „GEHEIMNIS“ S. 215 ff. so unvergeßlich klar
geschilderten Wegesanfang vollkommener Gewissenstreue, oder das in dem
Abschnitt 'Vom Geiste" im "BUCHE VOM LEBENDIGEN GOTT" (S. 247 ff.)
Mitgeteilte beharrlich in die Tat umsetzen würde, dem würde
bald sein erneuertes eigenes Leben "Schlüssel" werden zu
Allem‚ was sich ihm erschliessen soll und kann. Er wird bald nicht
mehr nach einer Fackel suchen, den hellen Tag anzuleuchten.
Gewiß ist den Wenigen, die es als Berechtigte erlangen und
verstehen, die es als Getreue hüten und gebrauchen lernten, das
Geheimnis, das der Bruderschaft anvertraut wurde, teurer als
schlechthin alles Andere. Aber gerade diese wissen mit aller
Sicherheit, die eigene Erfahrung geben kann, daß ihnen das
leuchtende Innere des heiligen Schreines dunkel geblieben wäre und
stumm, wenn sie sich nicht zuvor in dem in sich selbst ruhenden
Willen gefunden hätten, unwiderruflich den Weg zu gehen, dessen
Anfang und Fortgang Allen mit vollkommener Deutlichkeit gezeigt
wurde.
Die
sich durch solche Bewährung selbst berechtigten mehr zu
empfangen, wissen auch, daß ihnen das Geheimnis der Bauhütte
wohl einen besonderen
Weg zeigt, um
das Gesetz zu erfüllen, ein Geheimnis aber, das sich nur dem
erschliesst der es selbst erwecken kann.
Ein
Schlüssel zu Erkenntnissen, zu Lehren, die etwa, absichtlich nur für
„Eingeweihte“ verständlich, in den Aller Menschheit dargebotenen
Werke Bô Yin Râs verborgen worden wären, kann deshalb nicht
existieren, weil dieses Werk an sich Schlüssel ist, und als
solcher gebraucht werden will, von allen Suchenden nach
geistigem Licht.