Einführung in die Lehre von Bô Yin Râ
Zu den Quellen aller Religiosität, alles geistigen
Wissens und Wirkens will uns Bô Yin Râ hinführen. Er bringt uns kein
Dogma, keine neue Mystik, sondern er sucht uns die ewige Wirklichkeit zu
zeigen, wie sie seit Urzeiten ist und bis in alle Ewigkeit hinein aus
sich selbst bestehen wird, ahnend erfassbar, oder mehr oder weniger
sicher erkennbar nur denen, die sich freizumachen wussten von aller
Beengtheit verstandesmäßigen Wissenwollens.
Bô Yin Râ wendet sich mit seinen Büchern nicht an die
Gläubigen der großen Weltreligionen. Er will sie nicht in Ihrem Glauben
wankend machen, weil dieser trotz aller Beengtheit und mancher irdischen
Verbildung doch tiefe Wahrheiten enthält und diejenigen, die wirklich in
ihrem “Glauben“ fest sind, zu hohem seelischem Erleben führen kann. Er
wendet sich vielmehr in allererster Linie an die Zweifler, an die
stillen Suchenden im Lande, ja an die, die sich selbst “gott-los“
nennen, obwohl gerade in ihnen oft das lebhafteste Bedürfnis nach
wahrer, in den Tiefen gründender Religiosität besteht. Er will ihnen
Antwort geben auf die drei uralten Fragen der Menschheit, die letztlich
alle Religionen bewegen:
WOHER KOMMT DER MENSCH?
WAS IST DER MENSCH?
WOHIN GEHT ER?
WAS IST ZU TUN?
UMKEHR?
HILFE?
ERLEUCHTUNG?
Dabei betont Bô Yin Râ immer wieder, dass er in seinen Büchern nicht die
Neugier der stets nur Wissenwollenden befriedigen wolle, sondern dass er
sich an diejenigen wende, die aus tiefstem Herzensgrunde innerste Ruhe
und ein gewisses Wissen suchen, das nur durch seelisches Erleben im
eigensten innersten Innen zu erreichen ist. Keine “Bekehrung“, keine
neue Religion, sondern ein Erkennen der Wirklichkeit will uns Bô Yin Râ
vermitteln.
WOHER KOMMT DER MENSCH?
Damit kommen wir zu der ersten dieser Urfragen
der Menschheit: woher kommt der Mensch?
Seine Urheimat ist das Lichtreich der geistigen Welt. Er
ist einstmals hervorgegangen “aus Gott“ als eine Emanation des
göttlichen Urlichtes ‚ um seine, vom göttlichen Urwillen bestimmte
Vollendung in dem unvorstellbar großen Bereich der geistigen
Wirklichkeit zu finden. Den Weg zu dieser Vollendung, so sagt es uns Bô
Yin Râ, hat der Mensch selbst unterbrochen durch seinen “Fall“ aus hohem
Leuchten, einem “sündhaften“ Fall, weil er aus eigenem, missleitendem
Willen erfolgte. In seiner geistigen Gestalt hatte sich der Mensch der
Ewigkeit von seinem Ursprung im Innersten der ewigen Geisteswelt, vom
Urlicht fort immer mehr zur Peripherie des Kosmos bewegt, und dort
befiel ihn die Angst vor den ungeheuren Kräften, denen er bisher
gebieten konnte und durch die er das Sein und die Gebilde der physischen
Welt zu gestalten vermochte. So suchte er Schutz vor diesen ihm
übermächtig erscheinenden Kräften, und er glaubte sie zu finden, indem
er den geistigen Urbereich verließ und sich dem Leib eines Tieres dieser
physischen Welt einte, einem Tierkörper freilich, der geeignet war, ein
so hohes geistiges Wesen in sich aufzunehmen. Wir kennen es alle nur zu
gut als das Tier der Erde.
Einen recht deutlichen Hinweis auf dieses geistige
Geschehen finden wir in der Sage vom Paradies, wie sie in ähnlicher
Weise in so vielen Religionen wiederkehrt. Durch die “schillernde
Schlange“, die allein dem klügelnden Verstand
und der Sinnenhaftigkeit verbunden war, ließ sich
der geistige Mensch verführen, wissen zu wollen, “was gut und Böse sei“,
damit er “sein könne wie Gott“. So wurde er aus dem Paradies, aus der
geistigen Welt, vertrieben und musste nunmehr in dem physischen Bereich
der äußeren, irdischen Welt sein Genügen finden. Aber diese Welt ist ihm
ungemäß. “Vollkommen“ ist sie nur für die Wesen, die hier ihre
eigentliche Heimat haben, auf sie angewiesen und in ihr gegründet sind.
Der “gefallene geistige Mensch“ aber ist hier in einer ihm völlig
fremden Umgebung, die ihm nicht gemäß ist, und so muss er auch alles
Leid dieser physischen Welt miterleben, dem er hier nicht mehr wehren
kann. Seine geistige Urkraft ist ihm durch den Fall aus hohem Leuchten
verlorengegangen.
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WAS IST DER MENSCH?
Wenn wir in solcher Weise erahnt oder erkannt haben, woher der Mensch
kommt, fällt es uns nicht mehr schwer, auch die zweite der Urfragen der
Menschheit zu beantworten: was ist der Mensch?
Er ist ein Doppelwesen. In ihm vereinigt sich der aus
Hohem Leuchten gefallene Geistesmensch mit einem tierhaften Wesen dieser
Erde, wobei allerdings nur eine Tierform in Betracht kommen konnte - so
sagt es uns Bô Yin Râ -‚ die bereits genügende Eignung besaß, diese
geistige Form in sich aufzunehmen. So ist der Mensch dieser Erde eine
geistige Wesenheit mit einer ewigen, göttlichen Seele, und zugleich ein
irdisches, physisch gebundenes Wesen mit einer Tierseele ‚ die freilich
durch die ewige Seele in mannigfacher Weise befruchtet und für Geistiges
aufnahmefähig gemacht wird. Diese Aufnahmefähigkeit ist in jedem
Menschen latent vorhanden, aber sie kann erst zur Wirkung kommen, wenn
sie durch den eigenen Willen dieses Menschen wieder aus ihrem Schlaf
befreit wird. Denn der Geistmensch hat bei seinem Fall aus dem Hohen
Leuchten, mit dem Gleichnis aus der Bibel gesprochen: mit der
Vertreibung aus dem Paradies, sein Bewusstsein um die geistige Urheimat
verloren. Nur in einem fernen Ahnen wird ihm zuweilen noch die
Erinnerung an dieses “verlorene Paradies“ wach. Aber meistens weiß er
sie nicht zu deuten und vermag es nicht, sie von phantastischen
Vorstellungen seiner Hirnakrobatik zu trennen.
So befindet sich nun der “gefallene“ Geistmensch in
einer ihm in keiner Weise gemäßen Region. Seine hohe geistige Kraft hat
ihn verlassen. Er ist hier in der irdischen Welt dem physischen
Geschehen ausgeliefert. Unvermeidlicherweise muss er alle
Schwierigkeiten, alles Übel und alles Leid und die nur karge Freude
dieser Erde erleben. Er hat sich in die Gewalt des “Fürsten dieser
Welt“, wie ihn Jesus von Nazareth nennt, aus eigener Willenswahl gegeben
und vermag sich aus eigener Kraft davon nicht mehr zu befreien, wenn ihm
nicht hohe Hilfe aus der geistigen Welt zuteil wird.
Um ein einfaches Beispiel zu gebrauchen: es ist so, wie
bei einem Menschen, der aus eigenem Willen, um wissen zu wollen, wie es
dort aussieht, sich in einen finsteren Urwald begibt, aber nur
unzulänglich ausgerüstet. Dort ist er nun allen Unbilden und Gefahren
des Urwaldes ausgesetzt, denen er sich nur mühsam und oft gar nicht mehr
erwehren kann. Nur selten gelangt er auf eine Lichtung, die ihm einige
freudvolle Ausblicke in den “Himmel“ erlaubt. Beim Weiterschreiten aber
umfängt ihn der gleiche gefahrdrohende Urwald mit erneuter Wucht. Einen
Weg zurück findet er nicht. So wird er im Urwald zugrundegehen, wenn ihn
nicht doch noch letztlich eine nach ihm ausgesendete Rettungsexpedition
erreicht und er es vermag, sie zu erkennen und zu sich heranzurufen.
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WOHIN GEHT DER MENSCH?
Uralt ist gleichfalls die dritte Frage: was wird aus dem Menschen, wenn
der Erdentiereskörper mit seinen Kräften zu Ende ist und der physische
Tod eintritt. Ist damit nun alles aus, wie es nach dem Augenschein
offensichtlich ist?
Alle großen alten Religionen der Erde suchen darauf eine
Antwort zu geben, und diese ist letztlich und in ihrem tiefsten Grunde
bei allen gleich. Sie lehren uns, dass der Augenschein trügt. Zwar ist
der physische Körper nicht mehr lebensfähig, seine Kräfte sind
aufgebraucht. Er wird wieder zerfallen, wie alles Irdische zerfällt und
sich ewig wandelt. Aber seine göttliche, geistige Seele lebt weiter und
kommt zurück in das geistige Reich, in die “Zweite Wirklichkeit“. Hier
wird ihm das Bewusstsein um sich selbst, das er bei seinem “Fall“
verloren hat, wiedergegeben, allerdings nur in einer zunächst noch recht
“einfachen“ Art, die noch mit mannigfachen Erinnerungen und
Wunschvorstellungen aus dem eben verlassenen irdischen Bereich belastet
ist. Aber trotz alledem ist das wiedererrungene Bewusstsein so groß und
glückerfüllt, dass jeder Wunsch, zur Erde zurückzukehren, aufgehört hat.
Alle großen Religionen haben dies in den mannigfachsten,
oft erhabenen Bildern aufzuzeigen gesucht. Wir haben einige große
Beispiele dafür in der Weltliteratur. Da ist zunächst das “Ägyptische
Totenbuch“, eine Sammlung von Papyri, wie sie den Toten mitgegeben
wurden. In vielfältiger Weise, in den verschiedensten Bildern und
Beschreibungen eines neuen Geschehens auf der “anderen Seite“ soll damit
dem soeben Verstorbenen das Erkennen der anderen Welt erleichtert
werden. Noch tiefer schürft das “Tibetische Totenbuch“ ‚ das uns heute
gleichfalls in einer Übersetzung vorliegt, allerdings aus dem Englischen
und daher erst indirekt aus der alten indischtibetischen Hochsprache. Es
lässt deutlich erkennen, dass hier “Wissende“ in liebeerfüllter Weise
Ratschläge geben, wie sich der soeben Verstorbene zu verhalten habe,
wenn er das neue geistige Reich betritt. Man will ihm helfen, sich dort
zurechtzufinden, um Verirrungen und Umwege zu vermeiden, die dort
demjenigen drohen, der hier im Irdischen noch nicht genügend vorbereitet
war, um sich in der “anderen Welt“ zurückzufinden. Man “wusste“
offensichtlich noch, dass die abgeschiedene Seele noch für einige Zeit,
anscheinend wenigstens noch für die ersten Wochen, einer liebenden und
von geistiger Kraft geleiteten Belehrung und Wegweisung durchaus
zugänglich bleibt.
Was uns nach dem Scheiden von dieser Erde erwartet,
schildert uns Bô Yin Râ, der große Weise unserer Zeit, sehr deutlich in
dem “Buch vom Jenseits“
Die einzigen, die über das Leben nach dem Tode des
sichtbaren Erdenkörpers wirklich Authentisches zu sagen haben, sind
einige wenige Erdenmenschen, die jenes Leben, das des Erdenleibes nicht
bedarf, aus eigener, gesicherter Erfahrung her kennen, obwohl sie
zugleich auch noch in irdischer Erscheinung dieser Erde Leid und Freude
teilen. Einer dieser wenigen Jenseitsbewussten, von denen zu jeder Zeit
einige in aller Verborgenheit auf dieser Erde lebten und leben, ist Bô
Yin Râ. Näheres darüber erfahren wir aus seinen anderen Büchern. Was er
hier vom “Jenseits“ zu sagen hat, sollen wir aufnehmen wie einen
Reisebericht, der von Gegenden auf der Erde spricht, die wir selbst nie
gesehen haben, in denen wir aber nach dem Tode unseres Erdenkörpers
dereinst erlebnisfähig werden, einerlei, ob wir jetzt an diese
Möglichkeit “glauben“ oder nicht.
Es ist höchst bemerkenswert, dass diese Schilderungen im
wesentlichen ganz dem entsprechen, was uns Moody in seinen Büchern
berichtet. Bô Yin Râ spricht von den “helfenden Händen“ eines lichten
Geisteswesens, die sich dem soeben Verstorbenen entgegenstrecken, wenn
er “das andere Land“ betritt. Ein geistiger Helfer naht sich einem
Jeden, um ihn zu führen, damit er sich in der so gänzlich neuen Umgebung
nicht verirre. Wir können und sollen diese Hände ergreifen, - wir können
sie aber auch abweisen oder gar nicht beachten. Das tun leider sehr
viele, weil ihnen jegliches Urteil darüber fehlt, ob das, was ihnen
begegnet, Gefahr oder Hilfe bringt.
Daher ist es so wichtig, das “Sterben“ beizeiten zu
lernen. Es ist nicht ganz so leicht, wie viele meinen, aber es ist auch
nicht allzu schwer, wenn man es vorher in krafterfüllter Zeit gelernt
hat. Sterben nennt man “das Aufgebenmüssen“ des irdischen Leibes und
seiner Sinnesorgane, wenn dieses Aufgeben für immer ohne Widerruf
erfolgen muss, weil der Leib aus physischen Gründen nicht mehr imstande
ist, sich zu erhalten.“
Hat der Verstorbene die geistige Seite der Welt
betreten, so empfindet er sich auch weiterhin bewusst, empfindungsfähig,
denkend und handelnd und in einem “Körper“, der demjenigen des
physischen Leibes weitgehend entspricht, aber nicht mehr den auf Erden
geltenden Gesetzen unterworfen ist. Die Gestaltung der ursächlichen,
wesenhaften Welt ist uns plötzlich wahrnehmbar geworden, und die nur
physisch-sinnlich wahrnehmbaren Dinge, die wir bisher die “reale“ Welt
nannten, sind uns nun “leere Luft“.
Das Grundsätzliche, das hierher gehört, finden wir in
dem ersten Kapitel “Die Kunst zu sterben“. Das Wesentliche dieser Kunst,
so lesen wir, besteht darin, dass man jederzeit, inmitten von
Zukunftsplänen und regester Tätigkeit, blühender Gesundheit und
frischester Kraft, in fröhlicher Heiterkeit und sicherer Zuversicht
bereit ist, das “andere Ufer“ für die Dauer zu betreten, ohne die
Möglichkeit einer Rückkehr. Es ist ein Zustand des Gemüts der da
gefordert wird. Richtig und froh auf der Erde zu leben, versteht erst
der Mensch, der den Zustand der Bereitschaft zu sterben, täglich und
willkürlich in sich zu erzeugen vermag, frei von jeglicher Furcht und
von jeder Traurigkeit.
Ärztliches Wissen war es schon immer, dass der physische
Vorgang des Sterbens nur für den Zuschauer unter Umständen qualvoll ist,
dass aber der Sterbende selbst nicht leidet, sondern die Schmerzen
seines etwaigen Leidens nur so lange noch fühlt, so lange er noch nicht
gestorben ist. Selbst wenn der Sterbende noch bis zum letzten Augenblick
voll bewusst bleibt, so tritt dennoch im Moment der beginnenden
Loslösung des geistigen Organismus von dem ihm bis dahin vereinten,
tierhaften Erdenleib eine Art des “Schlummers“ ein, aus dem das
Bewusstsein erst wieder zu sich selbst erwacht, wenn das “Sterben“
bereits vollzogen ist.
Auch von der Möglichkeit, dass der soeben Verstorbene noch dasjenige
wahrzunehmen vermag, was er gerade verlassen hat, berichtet uns Bô Yin
Râ anschaulich. Es verbinden ihn noch gewisse fluidische Kräfte mit dem
verlassenen Erdenleib, und er vermag auch noch dasjenige wahrzunehmen,
was mit dem zurückgelassenen physischen Körper geschieht, was die dort
um ihn herumstehenden Menschen sagen und tun. Er möchte ihnen helfen und
sie über seinen jetzigen neuen Zustand aufklären, aber er muss gewahren,
dass man ihn “auf Erden“ nicht vernimmt. Dann erst wird ihm deutlich,
dass er sich nunmehr in einem geistigen “Leib“ befindet, dem ganz andere
Wahrnehmungs- und Mitteilungsmöglichkeiten zukommen. Diese fluidische
Verbindung mit dem zurückgelassenen irdischen Körper verliert jedoch
immer mehr an Wirksamkeit, und sie hört ganz auf, wenn die ersten
Zersetzungserscheinungen des erkalteten physischen Körpers beginnen.
Das alles mag manchem recht phantastisch erscheinen, aber es ist
andererseits doch von einer so großen Einfachheit, die nach einem alten
Wort schon allein die Bestätigung in sich trägt.
Auch was in den Berichten von Moody über den Selbstmord
steht, findet seine Bestätigung im “Buch vom Jenseits“. Der Selbstmord
ist der schwerste Verstoß gegen das geistige Gesetz, und ein solches Tun
ist überdies sinnlos und zweckwidrig, denn statt der gesuchten Befreiung
findet der durch eigene Hand irdisch Entleibte tausendfach qualvollere
Fesselung in wahrlich nicht gewünschte Bewusstseinszustände, denen er
nun Äonen hindurch nicht mehr entfliehen kann.
Noch vieles andere und Wesentliche über den Zustand, in
dem sich der Mensch nach seinem physischen Tod in der Welt des Geistes
befindet, wird uns in diesem Buch verkündet. Zugleich wird gewarnt vor
allen Versuchen, sich etwa in spiritistischen Seancen oder ähnlichen
Zirkeln mit geliebten Verstorbenen in Verbindung setzen zu wollen, denn
was dort geschieht, beruht auf argen Täuschungen, denen selbst solche
unterliegen, die sich für kritisch genug halten. Was allein möglich ist,
um mit denen in Verbindung zu treten, die diese Erde bereits verlassen
haben, spielt sich ganz im Inneren, in der eigenen Seele ab, dort aber
mit einer solchen inneren Gewissheit, die jeden Zweifel ausschließt.
zurück
Was ist zu tun?
Aus alledem, was wir so bei genügender Aufnahmebereitschaft erfahren
können, zeichnet sich bereits der Weg ab, den wir hier auf Erden zu
beschreiten vermögen, um wieder in unsere Urheimat im Geiste
zurückzugelangen. Wir müssen die Wirklichkeit erkennen, wie sie nun
einmal ist, sich aber nur dem ungetrübten Blick zeigt, der sich nicht
von allzu irdischen Wunschvorstellungen und den Gefühlen der Tierseele
beirren lässt. Die ewige, geistgeschaffene und geistgewollte
Wirklichkeit sieht eben doch in mannigfacher Weise anders aus, als wir
sie uns allermeistens vorstellen, gutgläubig irrenden Lehren folgen, die
sich menschliches Denken hier auf Erden geschaffen hat. Wir müssen dann
erkennen, dass es in diesem physischen Bereich kein “Paradies“ geben
kann. Diese Welt kann sich nur erhalten, indem polar entgegengesetzte
Kräfte gegeneinander wüten und die eine immer wieder das zerstört, was
die andere geschaffen hat.
Je mehr wir uns bestreben, die ewige geistige
Wirklichkeit zu erfassen, um so deutlicher wird es uns, dass ein “Glück“
auf dieser Erde auf die Dauer niemals im Äußeren zu finden sein kann. Im
innersten Innern eines jeden Menschen allein lässt es sich aufbauen,
aber dann ist es unzerstörbar und von keiner irdischen Macht mehr zu
beeinflussen.
Drei Erkenntnisse sind dabei notwendig, gleichsam die
drei ersten Stufen beim Besteigen der Treppe, die zum “Himmel“ führt.
zurück
Umkehr der Willensrichtung
Auf der ersten, untersten Stufe muss es uns klar werden, dass die erste
und unabdingbare Forderung die Umkehr unseres Willens sein muss. Das
Streben nach einem Leben in der irdischen Welt, das zu dem “Fall aus
Hohem Leuchten“ führte, muss radikal umgedreht werden. All unser Streben
muss sich hinfort einzig und allein darauf richten, wieder zurück in die
Urheimat im Geiste zu gelangen. Daran muss sich alles andere
orientieren.
Wie dies zu geschehen hat, beschreibt uns Bô Yin Râ
ausführlich und immer erneut in jedem seiner Bücher, jeweils von einer
anderen Blickrichtung aus und abgestimmt auf die verschiedenen
Veranlagungen der Menschen, ihrer Wesensart und damit ihren
Möglichkeiten. Vor allem aber warnt uns Bô Yin Râ, manchmal mit harten
Worten, an anderen Stellen leise ironisch und spottend, vor der so weit
verbreiteten Vorstellung, dass dies nur mit besonderen, geheimnisvollen,
magischen Mitteln möglich sei. Mitten im Alltag, so belehrt er uns,
müssen wir beginnen, ohne Absonderung, ohne Absonderlichkeiten. Keine
Flucht in ein Kloster oder in eine Einsiedelei, keine einseitige
Ernährungsweise, keine Askese kann uns dabei helfen. Im Gegenteil, bei
alledem wächst in einer ungeahnten Weise die Gefahr, abzukommen von dem
Wege, der zu Licht und Leuchten führt. Der Weg der “schillernden
Schlange“ mit ihrem Glitzern und ihren vielen verführerischen Farben
kann uns vielmehr in den Abgrund führen, aus dem es allzu oft keine
Rückkehr mehr gibt.
Jede Minute des alltäglichen Lebens, jede Tat, jeder
Gedanke, jeder Wunsch und Wille in diesem äußeren Dasein muss unter dem
formenden Einfluss unseres Entschlusses stehen, den Weg zurück in unsere
geistige Urheimat zu gehen. So lehrt es uns Bô Yin Râ in jedem seiner
Bücher, in immer erneuten Farben und anderen Worten, die jedoch
letztlich stets das gleiche bedeuten.
Notwendig hierfür sind freilich Zeiten der Stille und
der inneren Besinnung, unterstützt durch Gebete und durch immer erneute
Hingabe an das göttliche Sein in uns selbst, das immerwährende Suchen
nach Licht. Meditationen, von denen man heute so vielfach spricht,
können dabei eine nützliche Hilfe sein, aber doch nur eine Unterstützung
und ein Mittel, um unseren Willen zur Umkehr zu stärken und ihm die
richtige Richtung zu weisen. Bô Yin Râ schildert uns im “Buch vom
lebendigen Gott“, wie wir dabei vorgehen können, in einfachster Weise,
ohne alle phantastischen Ausgestaltungen, wie wir sie gerade in der
jetzigen Zeit so vielfach erleben. Sie alle bergen die große Gefahr in
sich, uns auf den “Weg der schillernden Schlange“ zu locken, zumal wenn
sich dabei innere Erlebnisse einstellen, die dem Betreffenden sehr
imponieren und ihm glauben machen, dass er nun wohl schon sehr weit
vorangekommen sei. Mit großem Nachdruck warnt Bô Yin Râ davor, und er
beschreibt sehr ausführlich die mannigfachen Gefahren, die auf diese
Weise drohen.
zurück
Hohe Hilfe ist notwendig!
Wer diese erste Stufe erklommen hat und sich nicht durch die
mannigfaltigen Versuchungen und Verlockungen irremachen ließ, ist dann
bereit, die zweite Stufe zu besteigen. Sie besteht darin, dass ihm die
Erkenntnis wird, dass er den Weg zum Geiste aus der Tiefe und Dumpfheit
der irdischen Welt heraus niemals aus eigener Kraft findet und
beschreiten kann. Es ist ihm vielmehr Hilfe notwendig.
Von solcher geistigen Hilfe wussten ebenfalls bereits
alle großen Religionen. Sie schildern sie in ihrer Art und in
mannigfacher symbolischer Verkleidung. Im frühchristlichen Bereich
werden sie als Engel oder “Nothelfer“ beschrieben, in fernöstlichen
Religionen als die “Bodhisattvas des Erbarmens“, als “Himmelsbuddha“ und
in vielen anderen Gestalten. Selbst primitive Religionen wissen davon,
wenn sie von guten und bösen Geistern sprechen.
Immer ist es das gleiche. Bedeutsam ist dabei die
Erkenntnis, dass uns diese geistige Hilfe schon hier im Irdischen zu
erreichen vermag. Das ist die “Frohe Botschaft“ von der Jesus sprach,
und es ist das immer erneute Anliegen von Bô Yin Râ, uns die Tatsache
und die Möglichkeiten dieser geistigen Hilfe während unseres Erdenlebens
in seinen Büchern von allen Seiten her aufzuzeigen und zu beleuchten.
Erfüllt sind alle diese Helfer von der höchsten und gewaltigsten Liebe.
Als den “Größten aller Liebenden“ bezeichnet Bô Yin Râ den hohen Meister
von Nazareth. Niemals vor ihm und niemals nach ihm kann einer kommen,
der die gleiche göttliche Größe der Liebe aufzubringen vermöchte, um dem
ins Irdische gefallenen Menschen die Rückkehr in seine geistige Urheimat
wieder gangbar zu machen. Er konnte es, weil er im Augenblick des Todes
die Gewalt des Fürsten dieser Welt durch seine unfassbar große Liebe zu
brechen vermochte. Der “Fürst dieser Welt“ hat seit dieser Liebestat
seine bis dahin fast unumschränkte Macht verloren. Symbolisch wird dies
in den alten Berichten dadurch angedeutet, dass die Erde bebte und der
Vorhang des Tempels zerriss.
zurück
Keine plötzliche Erleuchtung!
Nunmehr auf der dritten Stufe angelangt, wird es dem Suchenden zur
Gewissheit, dass es auf seinem Wege keine plötzliche Erleuchtung geben
kann, wie sie in so vielen, phantasievoll ausgestatteten Berichten der
Religionen zu finden ist. Das Wiederbewußtwerden im Geiste geschieht
immer nur allmählich, stufenweise wachsend. Es ist ein Bewußtwerden
geistiger Wirklichkeit in der Tiefe der eigenen Seele, und auch das
wieder mit der gleichen Gewissheit, von der schon vorhin die Rede war.
Selbst das so lebhaft geschilderte Erlebnis des Paulus, so erklärt es
uns Bô Yin Râ, ist nur ein phantasievoll ausgeformter Bericht, hinter
dem sich ein geistiges Geschehen verbirgt. Es wird uns angedeutet,
worauf uns wiederum Bô Yin Râ aufmerksam macht, in dem fast übersehenen
und meistens missverstandenen oder missgedeuteten Hinweis in der
Heiligen Schrift, dass Paulus in einer großen Stadt zu einem alten
Gelehrten kam, einem der wenigen wirklich “Wissenden“, der ihn geistig
unterwies, so dass er allmählich zum Bewusstwerden im Geiste Gottes
kommen konnte.
Diese Möglichkeiten des geistigen allmählichen
Bewusstwerdens, der “Erlösung“ aus irdischen Banden, schildert uns Bô
Yin Râ in allen seinen Büchern, wiederum aus mannigfachen Aspekten
heraus. Er unterstützt es durch eine ganze Reihe von Lehrgedichten, und
auch viele seiner Bilder wollen in diesem Sinne verstanden sein.
So sei zuletzt noch bemerkt, wie diese Bücher zu lesen
sind. Auch dafür gibt uns Bô Yin Râ die rechte Anweisung. Wohl könne man
ein Buch zunächst einmal in der gewohnten Weise, wie heute Lektüre
betrieben wird, flüchtig durchlesen, um erst einmal ganz ungefähr mit
dem bekannt zu werden, was der Inhalt zu bieten hat. Dann aber beginnt
erst die eigentliche Arbeit. Nicht das, was die Bücher an
verstandesfasslicher Aufklärung bieten, ist das wahrhaft Wertvolle an
ihnen, sondern dasjenige, was sie uns an geistigem Erfassen und Erleben
zu vermitteln vermögen. Die Sprache in den Büchern mag manchem, der die
Lektüre unserer Zeit gewohnt ist, zunächst eigenartig erscheinen, ehe er
ihre Gewalt erfasst hat. Auch die mannigfachen Worte, die anderem
religiösem Gedankengut entstammen, vielfach des Ostens, wurden von Bô
Yin Râ nur gewählt, um uns dasjenige verständlich und empfindbar zu
machen, was sich anders mit Worten nicht ausdrücken lässt. Keineswegs
soll damit eine Hinneigung etwa zu indischem Gedankengut gemeint sein.
Seine Bücher müssen uns ständige Lebensbegleiter
werden, sagt uns Bô Yin Râ. Täglich sollen wir uns in einer ruhigen Zeit
ihrer Einwirkung auf uns hingeben. Dann aber vermitteln sie uns Ruhe,
Sicherheit, innerste Festigkeit und wahrhaftes Glück, und dies allein
gilt Bô Yin Râ als der wirkliche, überzeugende Beweis für die
Richtigkeit der Lehren, die er aus seiner hohen geistigen Schau in
seinen Büchern entwickelt und der Menschheit unserer Tage und nicht
minder der kommenden Zeiten geschenkt hat.
Wörtlich sagt uns Bô Yin Râ hierzu im “Buch vom
Jenseits“ (S. 178):
“Im alltäglichen Leben, - in allereinfachster Form und
ohne jede mysteriöse Geste - wird der Mensch im Laufe der Zeit seine ihm
erreichbare Vollendung hier auf Erden finden - niemals aber in
“esoterischen Schulen“ und überheblichen Zirkeln angeblicher
Eingeweihter, die ihre Unverfrorenheit, die Rolle geistiger “Lehrer“
spielen lässt, und denen man nur Vergebung erbitten kann, weil sie
“nicht wissen, was sie tun“.“
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redigierter und gekürzter Text von
Rudolf Fritz Weiss
Vortrag am 23.11.1979 bei den Stuttgarter Buchwochen