Zurück
Legende
Zwischenspiel
Wirklichkeit

        

 
Die Legenden vom Gral

GRAL.JPG (41323 Byte)

 

 

 

Prolog

In fernem Land, unnahbar euren Schritten
liegt eine Burg, die Monsalvat genannt.
Ein lichter Tempel stehet dort inmitten,
so kostbar, wie auf Erden nichts gekannt,
drin ein Gefäß von wundertät'gem Segen
wird dort als höchstes Heiligtum bewacht;
es ward, dass sein der Menschen reinste pflegen,
von einer Engelschar herabgebracht.

Alljährlich naht vom Himmel eine Taube,
um neu zu stärken seine Wunderkraft.
Es heißt der Gral, und selig reinster Glaube
erteilt durch ihn sich seiner Ritterschaft.
Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,
den rüstet er mit überirdischer Macht,
an ihm ist jedes Bösen Trug verloren,
wenn er ihn sieht, weicht dem des Todes Nacht.

Selbst wer von ihm in ferne Land entsendet
zum Streiter für der Tugend Recht ernannt,
dem wird nicht seine heilige Kraft entwendet,
bleibt als sein Ritter dort er unerkannt.
So hehrer Art doch ist des Grales Segen,
enthüllt -- muss er des Laien Auge flieht;
des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,
erkennt ihr ihn - dann muss er von euch ziehn, -
Nun, hört wie ich verbotne Frage lohne!
Vom Gral ward ich zu euch daher gesandt:
mein Vater Parzival trägt seine Krone,
sein Ritter ich - bin Lohengrin genannt. --

Gralserzählung von Richard Wagner


Einleitung

D iese sog. Gralserzählung enthält in knapper Form Kern und Substanz der mittelalterlichen Legenden vom heiligen Gral und seiner Ritterschaft.

Emma Jung schreibt in ihrem Buch "Die Gralslegende":


"Als ob eine unterirdische Wasserader angebohrt worden wäre, entstanden Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts kurz nacheinander eine ganze Reihe verschiedener Bearbeitungen desselben Stoffes, nicht nur in französischer, sondern auch in deutscher, englischer, welscher, spanischer und nordischer Sprache, wovon mehrere zwar auf Chrétien fußen, aber doch auch wieder in manchen, oft wesentlichen Zügen von ihm abweichen und auf andere Quellen schließen lassen"

Ein Hinweis darauf, dass die Gralssage älter ist, als die uns erhaltenen Fassungen könnte eine Stelle aus der Chronik eines Mönchs aus Frodmont namens Heliandus bieten, die mit dem Jahre 1204 abschließt. Heliandus schreibt:

"Zu dieser Zeit (717-719) wurde einem Eremiten in Britannien durch einen Engel ein wunderbares Gesicht gezeigt, von Josef dem edlen Decurionen, der den Leib Christi vom Kreuz nahm, und von jener Schüssel, welche der Herr mit seinen Jüngern beim Male benützt hatte. Der Eremit hat selber eine Beschreibung des Gesichtes verfasst, welche die Geschichte vom Gradale genannt wird. Gradalis oder Gradale heißt nämlich auf französisch eine breite und etwas vertiefte Schüssel ....."

Dieser Bericht gibt auch eine Ableitung des Wortes Gral von Gradale, welche allgemein als gültig betrachtet wird.

Die Geschichte vom britannischen Eremiten wird auch noch von anderen Quellen gestützt.

Die bekanntesten Gralsdichtungen sind diejenigen des Chrétien von Troyes und von Wolfram von Eschenbach. Dieser beruft sich bei seiner Geschichte auf einen gewissen Kyot (Guyot) von dem er sie gehört haben will. Seine Fassung der Legende weißt deutlich orientalische Züge auf.

Auch andere Dichter verweisen auf ältere, vor allem östliche Vorbilder, die auf eine noch vorchristliche Quelle dieser Legenden hinweisen.

 
 

Der Gral

Die meisten Autoren beschreiben den Gral als eine Schale oder einen Kelch.

Bei Wolfram von Eschenbach ist der Gral jedoch ein Stein, d.h. ein kostbares Juwel.

In einigen Varianten der Legende wird außer dem Gral auch noch eine Lanze oder ein Schwert erwähnt, einige erwähnen beides.

Der Gral und die übrigen Gegenstände werden in einer feierlichen Prozession vorbeigetragen.

Originalzitat aus Wolfram von Eschenbach:

Dieses zeremonielle Vorzeigen der heiligen Gegenstände gemahnt sehr an die antiken Mysterien. So wurden z.B. bei den Eleusinien ebenfalls magisch-heilige Objekte feierlich herumgetragen und gezeigt.

In der keltischen Mythologie spielen sowohl Schwert als auch der Speer oder die Lanze eine bedeutsame Rolle. Es gibt dort vier himmlische bzw. magische Kleinode:

Den Schicksals- oder Krönungsstein
Das unbesiegbare Schwert
Den magischen Speer
Den Kessel des Dagda

Diese vier Gegenstände spielen in den Mythologien der Völker aller Zeiten und Kulturen eine große Rolle. Es sind die vier Farben des Tarot: Stab, Schwert, Münze und Kelch.

Bestimmte Varianten reden davon, der Gral sei ein Kelch, der aus einem Smaragd geschnitten sei, welcher ursprünglich aus der Krone Luzifers stammte. Hier ist der Gral also gleichzeitig Stein und Kelch.

Noch eine andere Version spricht von einem Reliquienschrein oder Kästchen.

In jedem Fall aber besitzt der Gral eine große Wunder- und Segenskraft und ist von unvorstellbarer Kostbarkeit.

Er ist so wertvoll, dass seinetwegen extra ein Tempel und eine Burg gebaut wurden, die sich in einem großen Gebirge befinden. Zu seinem Schutz und zu seinem Dienst bildete sich eine eigene Ritterschaft, deren Mitglieder vom Gral selbst (durch eine Schrift die auf ihm erschien) berufen wurden.

Anderen Menschen ist es unmöglich, diese Gralsburg zu betreten, ja nur schon der Bereich, in welchem sie sich befindet, ist unzugänglich.

Die Gralsmythen wurden bald mit einem anderen alten Sagenkreis keltischer Herkunft verflochten, nämlich mit demjenigen von König Artus und seinen Rittern.

Wir wollen uns dabei merken, dass sowohl das christliche Urbild, der Kreis um Jesus und seine Jünger, als auch König Arthurs Tafelrunde, aus 12 bzw. 13 Personen bestand.

 

 

 

 Die Legende von Shambhalah

Bevor wir uns nun der Frage zuwenden, ob und wenn ja was für eine Wirklichkeit hinter diesem Gralsmythos steht, stellen wir uns die Frage, ob es ähnliche Legenden auch außerhalb des christlichen Raumes gibt.

Wie bereits erwähnt, berufen sich ja die mittelalterlichen Grals-Dichter sehr oft auf ältere, vor allem orientalische, Vorbilder. Es müssten also im Orient heute noch ähnliche Legenden lebendig sein.

Wenn wir jetzt einmal vom Gral selber etwas absehen, und unser Augenmerk vor allem auf den heiligen Bezirk, die Burg bzw. den Tempel und die Ritterschaft richten, dann finden wir, dass es solche Legenden im Orient sehr wohl heute noch gibt, ja sie sind sogar äußerst zahlreich und populär.

Die verbreitetste und bekannteste dieser Legende ist diejenige von Shambhala.

Die ersten Hinweise auf Shambhala sind in den heiligen Büchern des tibetischen Buddhismus enthalten. Wir finden sie im Kangyur und Tengyur, dem aus mehr als dreihundert Bänden bestehenden tibetischen buddhistischen Kanon.

Über die geheimsten Aspekte Shambhalas ist jedoch niemals etwas zu Papier gebracht worden. Sie werden nur mündlich vom Lehrer zum Schüler weitergegeben.

Interessant ist, dass die ältesten Shambalah betreffenden Bände ungefähr im elften Jahrhundert aus dem Sanskrit ins Tibetische übersetzt wurden.

Nach den frühesten Schriften liegt Shambalah im Gebiet des Himalaja oder nördlich davon. Es ist vollkommen von einem Ring aus Schneebergen umgeben, deren Gletscher funkeln und glitzern. Keiner, der nicht an diesen Ort gehört, kann sie passieren. Die Texte lassen durchblicken, dass man diese Schneeberge nur im Fluge überqueren kann, doch wird betont, dass es sich damit um eine Art Flug handelt, der auf spirituelle Kräfte zurückgeht. Ein Bild zeigt z.B. eine Reihe von Reisenden, die auf einer Regenbogenbrücke nach Shambhala wandern. Shambhala ist in acht Regionen mit je zwölf Fürstentümern aufgeteilt.

Im Zentrum des Königreiches liegt Kalapa, die Hauptstadt von Shambhala.

Östlich und westlich davon liegen zwei wunderschöne Seen, wie ein Halbmond und eine Mondsichel geformt und mit Juwelen angefüllt.

Südlich von Kalapa befindet sich ein heiliger Hain, Malaya, der "kühle Hain". Hier baute der erste König von Shambhala eine gewaltiges Mandala, einen mystischen Kreis, der die Essenz der geheimen Lehren verkörpert. Ein Symbol für die transzendente Einheit von Geist und Universum.

Nach Norden erheben sich zehn zerklüftete Felsengebirge, welche Schreine wichtiger Gottheiten bergen.

Der Juwelenpalast des Königs im Zentrum von Shambhala leuchtet und strahlt so hell, dass die Nacht zum Tage und der Mond zu einem trüben Himmelslicht wird.

Verschiedene Kristalle, die im Boden und in der Decke eingelassen wurden, regulieren die Raumtemperatur, indem sie entweder kühlen oder wärmen. .....

Die Tibeter verstehen das Sanskrit-Wort Shambhala als "Quelle der Freude"

Jeder König von Shambhala ist ein Bodhisattwa, d.h. ein Mensch, der Nirwana erreicht hat und lediglich aus Mitgefühl mit den Menschen in der Welt bleibt.

Alle diese wunderbaren Beschreibungen könnten den Schluss nahe legen, dass es sich bei Shambhala um eine Wunschvorstellung oder eine Art jenseitigen Himmels handle.

Bernwald, der dies dem Dalai Lama gegenüber andeutete erhielt die entschiedene Antwort. "... Diese Ansicht ist mit Sicherheit falsch. Shambhala besitzt eine materielle Existenz und befindet sich auf dieser Welt."

Alle anderen Lamas, mit denen Bernbaum über Shambhala sprechen konnte, betonten, dass es Shambhala seit Anbeginn der Welt gegeben habe, dass aber über seine frühere Geschichte nur wenig bekannt sei.

Interessant ist, dass auch die Bön-pas, die Anhänger der alten, vorbuddhistischen Religion ähnliche Überlieferungen besitzen. Bei ihnen heißt Shambhala Olmolungring und ist ein unsichtbares, von Schneebergen umgebenes Königreich nordwestlich von Tibet. Ihre Texte gehen auf mündliche Überlieferung zurück, die fast 18'000 Jahre alt sind.

Angesichts des Alters und der geographischen Verbreitung dieser Legende, handelt es sich hier sicher um das Urbild aller anderen ähnlichen Mythen und somit auch der Gralslegende. Im Osten ist die Legende von Shambhala mit derjenigen des Kalachakra verknüpft. Es handelt sich dabei um eine Art östliche Variante der Offenbarung des Johannes und (wie bei dieser übrigens auch!) gleichzeitig um eine sehr wirkungsvolle Methode der geistigen Entwicklung. Das Kalacakra ist das komplexeste und geheimste Lehrsystem des tibetischen Buddhismus. Die Lamas betonen, dass nur wenige Menschen, die nicht Bewohner von Shambhala sind, die Symbolik der Texte und Meditationen des Kalacakra verstehen könnten.

Das Kalachakra berichtet auch von einem künftigen Buddha und Retter der Menschheit, einer endgültige Entscheidungsschlacht und einem neuen friedlichen Zeitalter.

Die Legende von Shambhala und diejenige des Kalachakra wurden im Osten miteinander verschmolzen, während deren Abbilder bei uns: die Offenbarung des Johannes und die Gralslegende, zwei getrennte Sagenkreise bilden.

 

 
 

Zurück Legende Zwischenspiel Wirklichkeit