WARUM ICH MEINEN NAMEN FÜHRE
Ich entstamme einer gänzlich unliterarischen Familie.
Bauern, Förster und ländliche Handwerker waren die Vorahnen meines
Blutes. Ich habe nie von einem vernommen, zu dessen Beruf das
Bücherlesen gehört hätte. Von meinem Vater kann ich allerdings
berichten, dass er sehr gerne las, obwohl er nur nach schwerer
körperlicher Arbeit die Zeit dazu fand. Es war aber eine genau umgrenzte
Literatur, der er seine Aufmerksamkeit schenkte. Er fragte nicht nach
dem Autor (außer bei den Schriften seines geliebten Alban Stolz, dessen
„Weckstimmen“ für das katholische Volk er mit Freuden immer wieder las),
sondern sein erster Blick in ein Buch galt immer dem bischöflichen
„Imprimatur“, das Sicherheit gab, dass der Katholik den Inhalt vertragen
könne ohne Schaden an seinem Glauben zu nehmen. So wurde auch ich über
zwanzig Jahre alt und hatte, außer meinen Schulbüchern und Werken über
Anatomie, Perspektive, Maltechnik oder dergleichen, noch kein Buch ohne
kirchliche Zensur gelesen. Auch dann noch holte ich mir, in peinlichster
Befolgung kirchlicher Vorschrift, erst beim erzbischöflichen Ordinariat
in München Dispens, um nun mit gutem Gewissen etwas mehr von deutscher
Literatur erfahren zu dürfen, als was im Schullesebuch stand.
VON dem allen muss ich hier reden, wenn ich verständlich machen will,
was später in mir vorging, als ich meinem geistigen Lehrer verpflichtet
und innerlich dazu gedrängt endlich den Versuch wagte, mit dem, was ich
meinen Mitmenschen bringen konnte, in die Öffentlichkeit zu gehen. Das
wurde mir keineswegs leicht! Erhebliche Widerstände waren in mir zu
bekämpfen, ehe ich mich schließlich bereitfinden musste, die
Verantwortung auf mich zu nehmen, die meines Erachtens jeder trägt, der
einen von ihm geformten Satz der Mitwelt durch den Buchdruck
übermittelt.
Nur der Autorenname, unter dem ich von dem geistig Erlebten Kunde
geben könne, war mir nie zur Frage geworden. Von allem Anfang an stand
es fest, dass ich von meinen geistigen Erfahrungen unmöglich unter dem
Namen sprechen durfte, der mir stets nur wie das Alleräußerlichste
meines äußeren Lebens erschien: wie eine zwar praktisch notwendige
„Etikette“ für das Einwohnermeldeamt, aber nichts besagend in Bezug auf
die Charakterisierung des Trägers. Meine geistige Schulung hatte mir
ganz andere Begriffe vom Wesen eines wahren „Namens“ beigebracht. Ich
hatte erfahren, dass man von einem „Namen“ zum anderen fortschreiten
könne, dass gewisse Buchstaben in einem wirklichen „Namen“ wie geistige
Antennen wirken können, und anderes mehr. Ich hatte selbst als geistiger
Schüler „Namen“ getragen, die ich erst „überwinden“ musste, um meines
Namens würdig zu sein, und ich kannte mich selbst nun nur in diesem,
„meinem“ Namen, so dass ich mich zuweilen, wenn auch nur in Bruchteilen
einer Minute, erst besinnen musste, wie ich denn nach dem Adressbuch
genannt werde, und den äußeren Ruf und Familiennamen: Joseph
Schneiderfranken, seit dieser Zeit stets nur ohne jedes innere
Verbindungsgefühl niederschreiben konnte... Andererseits aber hing es
mir gleichzeitig auch noch an, dass mir die ganze Jugendzeit hindurch
der Inhalt eines Buches allein wichtig war, so dass ich den Namen seines
Autors meistens kaum beachtet hatte. Ich kam mir daher als Autor
keineswegs besonders wichtig vor, und solange es ging, suchte ich mit
allen Mitteln zu vermeiden, dass man mir, über meine Schriften hinaus,
persönliches Interesse zuwende. Nicht anders suche ich noch heute,
solches Interesse abzulenken.
Meinen allerersten Äußerungen, die jetzt im „BUCH DER KÖNIGLICHEN
KUNST“ vereinigt sind, damals aber als kleine Versuche herauskamen, gab
ich nur die Anfangsbuchstaben B. Y. R. mit, bis ich, beim „BUCH VOM
LEBENDIGEN GOTT“, das vor neun Jahren in seiner ersten Gestalt erschien,
mich auf buchhändlerischen Rat hin entschloss, statt der
Anfangsbuchstaben, mit dem ganzen Namen zu zeichnen trotz seinem
orientalischen Klang .
Ich wusste sehr wohl, dass mir hierdurch manche Schwierigkeiten
erwachsen mussten, und dass ich gerade bei den Menschen, die in erster
Linie Leser meiner Bücher werden sollten durch den asiatisch klingenden
Namen, der ja nur als gesuchtes „Pseudonym“ aufgefasst werden konnte,
dem größten Misstrauen begegnen dürfte. Auch sah ich die Neugier zu sehr
aufgestachelt, als dass sie mich mit ihren Fragen nach der „Bedeutung“
meines vermeintlichen „Pseudonyms“ verschonen würde.
Da aber mein buchhändlerischer Berater keineswegs diese Bedenken
teilte und auch mit Recht darauf hinweisen konnte, dass ein Kapitel des
Buches „vom lebendigen Gott“ ausführliche Angaben über die Art geistiger
„Namen“ bringt, so fasste ich schließlich genügend Vertrauen in die
Urteilskraft meiner Leser und sagte mir, dass sie doch wohl aus dem
ganzen Buchinhalt ersehen müssten, wen sie vor sich haben: dass sie mir
also gewiss nicht zutrauen könnten, ich fände es für nötig, mich durch
ein fremdländisch scheinendes Pseudonym erst in erwünschte „bengalische“
Selbstillumination zu bringen...
Erfreulicherweise kann ich bestätigen, dass dieses Vertrauen
gegenüber den meisten Lesern meiner Bücher gerechtfertigt war.
Daneben aber höre ich doch auch zuweilen von Leuten, die mit
begreiflicher Voreingenommenheit an dem „exotischen“ Namen Anstoß
nehmen, und somit Grund zu haben glauben, die Lektüre meiner Schriften
abzulehnen, ohne auch nur den Inhalt einer Seite zu kennen.
Andere wieder möchten gar zu gern eine deutsche und deutliche
„Übersetzung“ des Namens.
Ich kann aber hier nicht anders helfen, als dass ich dem einen sage:
„Wenn du Anstoß daran nimmst, dass ich in dem Namen schreibe, in dem
allein ich mich lauthaft erkenne, und wenn dir dieser Name zu
"exotisch" klingt, dann nenne mich meinetwegen wie du willst, aber
lies, was ich auch für dich geschrieben habe!“ und zu dem andern:
„Wenn du dir unbedingt bei meinem Namen "etwas denken" musst,
dann übe einstweilen Geduld, bis du Lautwerte innerlich so erfassen
kannst, wie der Musiker Klangwerte erfasst, die in Noten dargestellt
sind!“ Im übrigen könnte wohl auch verstanden werden, dass ich mich aus
reiner Anhänglichkeit an den geistigen Lehrer, der mir den Namen gab, Bô
Yin Râ nennen würde, auch wenn mir diese drei Silben ebenso „fremd“
wären, wie sie andern vielleicht erscheinen.
Es sei nur ein für alle Mal gesagt, dass es sich hier nicht um drei
Worte handelt, aus deren „Sinn“ man irgend etwas herausgeheimnissen
könnte, auch wenn die drei Silben zu Sprachwurzeln einer alten Sprache
gehören, sondern dass sie nur deshalb meinen, mir geistmenschlich
zugehörigen „Namen“ bilden, weil ihre Lautwerte meiner Wesensart
entsprechen, so wie eine bestimmte Notengruppe einem bestimmten Akkord
entspricht.
Mir selbst erscheint das alles so kristallklar sichtbar, so einfach
und selbstverständlich, dass ich meine, jedes Kind müsse hier begreifen
können, was vorliegt...
Allerdings weiß ich auch, dass uns das instinktiv sichere Erfühlen
der Lautwerte menschlicher Sprache als geistig bedingter Werte, so gut
wie ganz verloren gegangen ist, und dass man nicht fehlgeht, wenn man
hier den Grund sucht, weshalb mein geistiger Lehrer meinen „Namen“ aus
drei Wurzelsilben einer alten orientalischen Sprache bildete, obwohl er
ihn auch aus Silben oder Worten meiner Muttersprache hätte fügen können,
was mir auf alle Fälle meine Aufgabe sehr erleichtert haben würde.
Man wird mir doch die Einsicht zugestehen, die nötig ist, um zu
wissen, dass nur ein weltfremder Tor ungeschickt genug sein könnte, sich
heute mit einem fremdländisch klingenden Pseudonym zu drapieren, aber
man sollte auch aus dem Inhalt meiner Bücher ersehen, dass man mir die
Unehrlichkeit nicht imputieren darf, die in der Wahl eines „Pseudonyms“
gegeben wäre, das den Anschein erwecken könnte, ich sei ein Mensch
fernen, fremden Stammes.
Abschließend aber muss ich sagen, dass mir die Art, in der ich selbst
in meiner Jugendzeit gewohnt war, Bücher zu lesen, indem ich kaum nach
dem Autor, desto mehr aber nach dem Inhalt fragte, gar nicht so übel
gewesen zu sein scheint.
Ich kann meinen Büchern solche Leser nur von Herzen wünschen! Zuletzt
ist sicher der Inhalt eines Buches, und dieses Inhalts Einwirkung auf
die Seele des Lesers, auch die sicherste Grundlage für das Urteil über
den Verfasser.